Verabschiedung von Professor Dr. Karl-Heinz Meier Braun am 6. Oktober 2015 in Stuttgart (14. Medienforum Migration, Einwanderung und Heimat)
Meine sehr verehrten Damen, meine Herren,
ich kenne meinen Kollegen Karl-Heinz Meier Braun seit dem ersten Medienforum im Jahre 1988. Seither waren wir engagierte Weggefährten bei den Themen Migration und Integration. Viele Begegnungen und gemeinsame Aktivitäten - so insbesondere im Rat für Migration - haben sich in dieser langen Zeit zu einer sehr freundschaftlichen Symbiose verdichtet. Ich würdige daher bei dieser Zusammenkunft gerne die bedeutende berufliche und wissenschaftliche Arbeit Professor Meier Brauns.
Dafür zunächst kurze Hinweise auf seinen Lebensweg :
1950 in Friesland als Kind einer Flüchtlingsfamilie aus Schlesien geboren, ist Karl-Heinz Meier Braun in Mössingen bei Tübingen aufgewachsen und hier zum Schwaben mutiert. Er sagte mir, dass er in seiner Jugend noch einen Ausweis als "Vertriebener", als Flüchtling, besaß. Professor Meier Braun ist verheiratet mit Margot Meier-Braun, Lehrerin an einer Förderschule. Der Sohn Marvin, studiert Kunstgeschichte und Ostasienwissenschaft.
Die berufliche Laufbahn Meier Brauns begann 1976 am damaligen Süddeutschen Rundfunk. Er arbeitete dort zunächst in der Landesredaktion und leitete die Redaktion "Regionalnachrichten". Als einer der Ersten berichtete er in unzähligen Sendungen über "Einwandererthemen“ und die damals noch ganz exotische Türkei. Er baute darüber die Ausländerredaktion auf und aus und rief hierzu 1988 das Medienforum "Ausländer bei uns" ins Leben, eine schon bald renommiert gewordene Einrichtung in der ARD. Über 14 Tagungen bildete sie seither das Herzstück von Professor Meier Brauns Vermittlung der wissenschaftlichen Debatte über Migration nach Deutschland in die mediale Öffentlichkeit. In ihrem Rahmen haben wir uns heute zusammengefunden.
Unter meinen Unterlagen fand ich jetzt einen eigenen Vortrag „Ausländer in den Medien“, gehalten 1988 bei der „Ausländerbörse“ in Stuttgart- dem ersten Medienforum. Später habe ich noch mehrmals als Referent an Medienforum mitgewirkt. Alle Medienforen und deren publizistische Aufarbeitung hatten eine bedeutende publizistische und politische Wirkung. Darüber später noch mehr.
Seit 1995 war Professor Meier-Braun Integrationsbeauftragter des SWR, der erste Ausländerbeauftragte einer ARD-Rundfunkanstalt, wie es damals hieß.
Neben seiner beruflichen Tätigkeit hat Kollege Meier Braun 1979 in Tübingen über das Thema „Freiwillige Rotation – Ausländerpolitik am Beispiel der baden-württembergischen Landesregierung“ promoviert. Sein Engagement in der Lehre als Lehrbeauftragter und seine wissenschaftlichen Arbeiten wurden 1992 von der Universität Tübingen mit der Verleihung einer Honorarprofessur gewürdigt. Honorarprofessoren sind korporationsrechtlich gleichrangig mit Lehrstuhlinhabern. In der Folge war Meier Braun auch Mitglied des Landesbeirates für Migration und Integration der Landesregierung Rheinland-Pfalz tätig, ferner Landesvorsitzender der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen sowie Mitglied in deren Beirat für Weltbevölkerung und Mitglied im "Forum der Kulturen" Stuttgart. Meier Braun wirkte auch als Mitglied des Redaktionsbeirats der "Zeitschrift für Kulturaustausch", als Mitglied des Instituts für Auslandsbeziehungen Stuttgart und als stellvertretender Vorsitzender des Rats für Migration (RfM), der bundesweiten Vereinigung der meisten Migrationsforscher Deutschlands. In dieser Funktion hat er geholfen, den „Mediendienst Integration“ mit aus der Taufe zu heben. Der Mediendienst hat sich das Ziel gesetzt, wissenschaftliche Erkenntnisse gezielt in die Medien und Öffentlichkeit zu vermitteln - eine Aufgabe, die auch als Überschrift über das gesamte Lebenswerk Professor Meier Brauns dienen könnte.
Professor Maier Braun ist Mitglied im Beirat des Landesstiftungsprojektes "Mit Zivilcourage gegen Extremismus" in Baden-Württemberg. Er war auch Mitglied in der Deutschen Islam Konferenz in der Arbeitsgruppe 3 "Wirtschaft und Medien als Brücke". 2002 gründete er mit dem Integrationsbeauftragten der Landesregierung von Baden-Württemberg das "Wissenschaftsforum Migration und Integration Baden-Württemberg“. Aus ihm ist das heutige "Netzwerk Integrationsforschung Baden-Württemberg" hervorgegangen. Das Netzwerk eine Plattform für die Förderung von Integrationsforschung veranstaltete u.a. wissenschaftliche Tagungen an den Universitäten Konstanz und Freiburg.
Die Beiträge Prof. Meier-Brauns zu „Medien und Migration“ haben im Laufe der Jahre eine große Resonanz gefunden. Daher wurde er von den Enquete-Kommissionen zur Integrationspolitik der Landtage in Rheinland-Pfalz und Hessen als Experte eingeladen. Er war auch der Initiator der Ausstellung „Zwischen Kommen und Gehen… und doch Bleiben: Gastarbeiter in Deutschland zwischen 1955 und 1973“, eine Ausstellung, die seit zehn Jahren besteht und ihnen heute in einem großartigen Vortrag anschaulich dargestellt wurde. Sie dokumentiert die persönlichen Lebenswege der "Gastarbeiter" der ersten Stunde. Stationen der Ausstellung waren bisher unter anderem: der Mainzer Hauptbahnhof und die Mainzer Staatskanzlei, das Bundesamt für Migration in Nürnberg und sogar das Bundeskanzleramt. Mittlerweile ist es die erfolgreichste Ausstellung ihrer Art in Deutschland.
In Rheinland-Pfalz war Prof. Meier-Braun Mitinitiator des „Virtuellen Migrationsmuseums Rheinland-Pfalz“. Die verschiedenen Menüpunkte geben dem Nutzer Informationen aller Art über Migration. Im Menüpunkt „Ausstellung“ erfährt man alles Wesentliche zur Geschichte der Anwerbung. Unter dem Menüpunkt „Lebenswege“ berichten Menschen unterschiedlicher Nationalitäten über ihre ersten Schritte in einem fremden Land.
Prof. Meier Braun hat die Ausländer- und Migrationspolitik Deutschlands von ihren Anfängen bis heute in zahlreichen Veröffentlichungen kritisch dargestellt und kommentiert. Zu seinem eindrucksvollen und umfangreichen wissenschaftlichen und publizistischen Werk gehören 17 Bücher, davon zehn als Herausgeber, und über 180 Beiträge in Büchern und Zeitschriften. Hinzu kommen zahlreiche Radiosendungen, die eine große politische Wirkung gehabt haben. Die Empfangsbreite und politische Wirkung des Hörfunks wird oft unterschätzt. Untersuchungen zu seiner Wirkung lassen vermuten, dass sie der des Fernsehens ebenbürtig, ja manchmal politisch eher noch bedeutsamer ist.
Von den Wissenschaftlichen Arbeiten Meier Brauns möchte ich die besondere Bedeutung seiner Beiträge zur Einwanderungsgeschichte Deutschlands und des Landes Baden Württembergs unterstreichen.
Das in zwei Auflagen bei Suhrkamp erschienene Taschenbuch „Deutschland, Einwanderungsland“ (2. Auflage 2003) war lange das Standardwerk zur Geschichte der Einwanderung in die Bonner Republik. Es hat in zwei Auflagen weite Verbreitung gefunden. Das Thema „Deutschland Einwanderungsland“ wurde von Meier Braun zusammen mit Reinhold Weber in einem 2013 bei Kohlhammer herausgegebenen Sammelband überarbeitet. Auch spezielle Aspekte der Einwanderung in die Bonner Republik wurden von ihm in vielen Aufsätzen dargestellt und analysiert.
Wie schon erwähnt beginnt Meier Brauns wissenschaftliche Beschäftigung mit der Einwanderungsgeschichte Baden Württembergs schon 1979 mit seiner Tübinger Dissertation über das Thema „Freiwillige Rotation – Ausländerpolitik am Beispiel der baden-württembergischen Landesregierung“- eine im Hinblick auf die damaligen politischen Kräfteverhältnisse im Land sehr mutige Arbeit. Auch die Veröffentlichung Meier Brauns von 2015 mit dem Titel „Die Siebziger Jahre in Baden Württemberg“ bezieht sich wieder auf diese Thema. Es ist ein Beitrag zu dem Sammelwerk Philip Gasserts und Reinhold Webers über "Filbinger, Whyl und die RAF". 2009 veröffentlichte Prof. MB mit Reinhold Weber auch eine "Kleine Geschichte der Ein- und Auswanderung in Baden-Württemberg"("Regionalgeschichte - fundiert und kompakt". Leinfelden-Echterdingen: DRW-Verlag 2009). Dieser regionalen Perspektive war auch der ebenfalls mit Reinhold Weber 2005 herausgegebene Sammelband "Kulturelle Vielfalt - Baden-Württemberg als Einwanderungsland" gewidmet. Zur Einwanderungsgeschichte Baden Württembergs, der originellste Schwerpunkt der Veröffentlichungen Meier Brauns zur Migrationsgeschichte wären hier noch viele Einzelbeiträge spezieller Aspekte zu erwähnen. Da sich in der Migrationspolitik immer auch Aspekte der politischen Kultur des Aufnahmelandes spiegeln, wird in den spannenden Arbeiten Meier Brauns zur Geschichte der Integration der Migranten in Baden Württemberg auch dessen politische Kultur im letzten Jahrhundert zum Leben erweckt - manchmal mit heiteren Noten wie im Beitrag „Spaghetti vom Arbeitsamt“ über die Ankunft der italienischen Gastarbeiter, manchmal aber auch beklemmend, so in der Abhandlung über freiwillige Rotation und das Rückkehrprinzip in der Ausländerpolitik der siebziger Jahre.
Ich muss es bei diesen Hinweisen auf Publikationen Meier Brauns belassen. Es wäre noch viel mehr zu berichten gewesen. Im Beck Verlag ist eben jetzt noch eine weitere ganz exzellente neue Arbeit aus seiner Feder unter dem Titel erschienen - die 101 wichtigen Fragen – Einwanderung und Asyl“. Wer sich zu Migration und Integration informieren will, findet hier präzise Information auf neuestem Stand.
Professor Meier Braun hat die Debatte über Migration nach Deutschland bis heute ganz wesentlich mitgeprägt und ihr wichtige inhaltliche Impulse verliehen. In seinen Büchern, Rundfunksendungen und Publikationen schuf er gerade auch beim Nichtwissenschaftler Verständnis, dass Zuwanderung sozial- und wirtschaftspolitisch wünschenswert ist und noch weit mehr als bisher für ihre Integration getan werden muss.
Professor Meier Braun hat über die Medien Migration und Integration als notwendige Kernaufgaben der Politik unserer Republik kritisch dargestellt. Migration und Integration wurden von ihm in ihrer thematischen Vielfalt und Breite der Öffentlichkeit außerhalb der Wissenschaft nahe gebracht. Beispielhaft war hierfür gerade auch das „Medienforum Migration“ mit Vertretern und Vertreterinnen von Wissenschaft, Medien, Politik und Öffentlichkeit. Ergebnisse und Erkenntnisse wissenschaftlicher Forschung wurden über die Medien Hörfunk, Fernsehen und Online zielgruppengerecht einer breiten Öffentlichkeit verständlich gemacht, ohne dabei wissenschaftliche Präzision und Substanz einzubüßen. Ein Beispiel hierfür sind übrigens auch die Onlinearbeiten Meier Brauns.
Professor Meier Braun ist ein in Deutschland eher noch seltener und immer noch nicht gebührend geschätzter Typ des Wissenschaftlers, der komplizierte Sachverhalte einfach und verständlich darstellen kann, ohne dabei das Fundament seriöser Wissenschaftlichkeit zu verlassen. Im Unterschied zu angelsächsischen Ländern mit ihrer hohen Wertschätzung publizistisch tätiger Wissenschaft wird die Verbindung von Wissenschaft und Publizistik in Deutschland immer noch nicht gebührend gewürdigt. Das hat vielleicht seinen Grund darin, dass die Verantwortung des Wissenschaftlers für die Vermittlung seiner Erkenntnisse in Politik und Gesellschaft immer noch zu wenig begriffen wird.
Ich sehe hier auch ein Defizit unserer politischen Kultur im Wissenschaftsestablishment. Deshalb besteht hier ein besonderer Anlass zum Dank für die von Professor Meier Braun geleistete Vermittlung von Wissenschaft in verständlicher Sprache zu einer Thematik, die ganz gewiss eine zentrale Bedeutung für unsere Politik, Gesellschaft und Wirtschaft hat. Es wäre schön, wenn solche hervorragende Kommunikation vielleicht auch einmal in dem jährlich verliehenen deutschen Kommunikatorenpreis des Stifterverbands der Deutschen Wirtschaft ausgezeichnet würde.
Prof. Meier Braun ist ein Pionier für den Zusammenklang von Migration, Wissenschaft und Medien. Dafür hat er einen Teil seines umfangreichen Migrationsarchivs schon jetzt dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg für wissenschaftliche Auswertung zur Verfügung gestellt. Das gesamte Archiv zu Medien und Migration – es ist bundesweit eines der größten – soll einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Beeindruckt haben mich bei meinen Kontakten mit Meier -Braun die hohe Qualität seines Mitarbeiterteams und deren wissenschaftliche und publizistische Arbeit. Dies und die gute Stimmung in diesem Team lassen auf besonders sympathische und wichtige Eigenschaften seines Leiters schließen.
In der Summe seiner Leistungen gehört Meier Braun zu den sehr wenigen Personen, die den wissenschaftlichen und öffentlichen Diskurs über Migration und Integration von seinem Anbeginn in den achtziger Jahren bis heute ganz wesentlich geprägt hat.
Nach dem Ende seiner Tätigkeit beim SWR als Integrationsbeauftragter Anfang 2016 möchte sich Professor Meier-Braun ganz der Vermittlung von Wissenschaft in Medien und Öffentlichkeit widmen. Ich bin sicher und wünsche uns dies, dass wir dann von ihm noch weitere wissenschaftliche Beiträge erwarten dürfen. Dazu wenigstens jetzt schon lieber Herr Meier Braun Kraft und Erfolg.
Prof. Dieter Oberndörfer
Politikwissenschaftler, Migrationsforscher.
Gründer und langjähriger Leiter des Arnold Bergstraesser Instituts Freiburg sowie des Rats für Migration.
Ehrensenator der Universität Rostock.